Nachdem das Haselhuhn um die Jahrtausendwende im Schwarzwald durch eine primär auf Ertragsmaximierung ausgerichtete Forstwirtschaft ausgestorben ist, ist auch das Auerwild, das vor 100 Jahren im Schwarzwald noch eine geschätzte Zahl von 3.800 Hähnen aufwies, stark vom Aussterben bedroht. Neben verschiedenen für das Auerwild im Schwarzwald ungünstigen Einflüssen ist die Zurückdrängung der heimischen Waldkiefer mitverantwortlich für diese negative Bestandsentwicklung. Die einseitige und flächige Förderung zunächst der Fichte, später und bis heute im Zuge des „Naturnahen Waldbaus“ auch der Tanne, Buche und der Douglasie erfolgte aufgrund der dicht aufwachsenden Wälder durchweg zu Lasten lichtliebender Kraut-, Strauch- und Baumarten wie der Kiefer.
Lichte Strukturen für das Auerwild
Lichte, strukturreiche Kiefernalthölzer mit beigemischter Lärche, Tanne, Fichte, Buche, Birke und anderen Baumarten sowie einer reich strukturierten Kraut- und Beerenschicht bieten ideale Voraussetzungen für das Auerwild. Die Nadeln der Kiefer sind eine hochbegehrte Winternahrung. Die Attraktivität ist dermaßen hoch, dass Auerhühner selbst weit verstreut stehende alte Einzelkiefern gezielt aufsuchen. Kiefern sind besonders im Winter auch gern aufgesuchte Übernachtungsbäume und auch beliebt für die Baumbalz. Lichte, strukturreiche Kiefernwälder ermöglichen dem Auerwild sich stets sicher bewegen zu können – sowohl in der Verjüngung am Boden als auch im Flugraum und im Kronenbereich jüngerer bis älterer Waldbestände. Zudem ist es am Boden hell genug, dass sich eine Kraut- und Zwergstrauchschicht ausbilden kann – insbesondere die für das Auerwild so wichtige Heidelbeerstrauchschicht. Das oft trockenwarme Kleinklima in sonnendurchfluteten Kiefernwäldern ist ausgesprochen günstig für die nässe- und kälteempfindlichen Küken und garantiert einen hohen Insektenreichtum, der den Küken als eiweißreiche Nahrung dient. Im Schwarzwald gehören die Waldkiefer und die Bergkiefer („Latschenkiefer“) zur natürlichen Waldgesellschaft. Die anpassungsfähige Waldkiefer hat insbesondere auf nährstoffarmen Böden einen deutlichen Konkurrenzvorteil gegenüber anderen, anspruchsvolleren Baumarten. Als Pionierbaumart besiedelt sie rasch Freiflächen nach Sturmwurf oder Waldbrand, gedeiht auf trockenen, sehr nassen oder wechselfeuchten Standorten sowie im Randbereich von Mooren, die „Latschenkiefer" direkt auf Hochmooren.
Kiefernwälder im Schwarzwald
Schon 1974 erkannte man in der ersten AG Auerwild den Zusammenhang zwischen dem ständigen Rückgang des Auerwildbestandes und dem Rückgang der Kiefern-Anteile in der Verjüngung. Nach der letzten Bundeswaldinventur beträgt der Flächenanteil der Kiefer im Schwarzwald nur noch 5 %. Die Fichte hält dagegen noch immer einen Flächenanteil von über 38 % und selbst die nicht heimischen Douglasie liegt mit 6 % bereits über dem Flächenanteil der Kiefer. Auch der Verjüngungsanteil der Douglasie liegt mit 1,9 % deutlich über dem Anteil der Kiefer (0,4 %). Die enorme Bedeutung der Kiefer für das Auerwild wurde bei den bisherigen Bemühungen zur Erhaltung des Auerwilds im Schwarzwald und dem seither betriebenen „Naturnahen Waldbau“ viel zu wenig berücksichtigt. Die Förderung dieser Baumart kann vor allem auf den nährstoffarmen und trockenen Sandsteinböden aber auch auf zur Vernässung neigenden Böden vorgenommen werden. Dies erfordert allerdings die Anpassung der Waldbewirtschaftung, damit sich die Kiefer auf kleineren Freiflächen sowohl durch Naturverjüngung als auch durch eine unterstützende Pflanzung ungehindert verjüngen kann. Dazu ist meist die weitgehende Zurücknahme der flächig auftretenden und wuchsstarken, vielerorts standortfremden und im Hinblick auf den Klimawandel besonders risikobehafteten Fichte sowie der Douglasie erforderlich.
Ein kiefernfreundlicher Waldbau mit seinen zahlreichen lichtliebenden Kraut-, Strauch- und beigemischten Baumarten hilft nicht nur dem Auerwild. Er ist auch naturnäher, sturmfester, klimastabiler, struktur- und artenreicher und durch die erhöhten Randlinienstrukturen auch landschaftlich und naturschutzfachlich attraktiver als dichtdunkle, vorratsreiche fichtendominierte Wälder. Zudem bieten diese lichten Wälder durch die ausgeprägte Bodenvegetation auch dem Rot- und Rehwild natürliche Äsungsflächen, sodass der Äsungsdruck auf die verjüngenden Baumarten verringert wird.
Betriebsziel „Auerwild“ in den Vorranggebieten
Um das Auerwild zu erhalten, muss in den Hochlagen des Schwarzwaldes der Schutz dieser Art als prioritäres Betriebsziel festgelegt werden. Die Forstwirtschaft muss hierbei die ökologischen Ansprüche der Art zielgerichtet in die Waldbaukonzeptionen integrieren. Ansonsten ist trotz aller Anstrengungen mit einem zeitnahen Verschwinden des Auerwildes im Schwarzwald zu rechnen.
Raffael Kratzer und Thorsten Schaupp
(Nationalpark Schwarzwald)